Die Schwalben fliegen so hoch, dass man sie kaum sehen kann by Åke Edwardson

Die Schwalben fliegen so hoch, dass man sie kaum sehen kann by Åke Edwardson

Autor:Åke Edwardson
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin
veröffentlicht: 2016-09-08T16:00:00+00:00


Er wusste nicht, ob er eingedöst war. Im Schlafzimmer wurde es hell, und er richtete sich auf. Es war, als ob Nebel durch das Rollo gekrochen wäre, der sich zu Boden hatte sinken lassen und dann wieder aufgestiegen war, als würde sich das Zimmer mit geruchlosem Rauch füllen. Er ging im Morgengrauen die Treppe hinunter und meinte, sich in einem Schwarzweißfilm zu bewegen. Dann saß er am Küchentisch und wartete auf das richtige Licht und die richtigen Farben. Was er sah, erinnerte ihn an früher. Er wollte nicht an früher erinnert werden. Scheiß auf die Vergangenheit, sie hat keine Zukunft.

Er hörte sie die Treppe herunterkommen.

Sie setzte sich ihm gegenüber an den Tisch. Jetzt brauchte er nicht mehr den Nebel vor dem Fenster zu betrachten, der sich langsam hob.

»Kannst du nicht schlafen?«, fragte sie.

»Nein, heute Abend nicht.«

Sie gähnte und warf einen Blick auf die Wanduhr.

»Es ist doch gar kein Abend mehr.«

»Na, dann können wir ja bald frühstücken.«

»Ich hab wohl schon geschlafen, als du nach Hause gekommen bist.«

Er nickte.

»Mir ist heute etwas passiert, ich meine, gestern. Ich wollte es dir erzählen, aber plötzlich war ich so müde, dass ich nur schlafen, schlafen musste.«

»Was ist passiert?«

»Ich bin zum Markt gefahren, sozusagen als Test. Es war leider ein Fiasko.«

»Warum hast du mir nichts erzählt?«

»Das wollte ich doch. Aber du warst nicht da, als ich nach Hause kam.«

»Es gibt Handys. Wir leben nicht mehr im Mittelalter. Okay, also was ist passiert?«

»Richtig ohnmächtig geworden bin ich nicht«, sagte sie. »Es war wieder dieses Schwindelgefühl, das ich seit dem Unfall manchmal habe, nur schlimmer. Wahrscheinlich war es zu viel, hinzufahren und wie ein normaler Mensch auf dem Markt einkaufen zu wollen.«

»Besser gesagt, es war zu früh, nichts anderes«, sagte er. »Wie bist du nach Hause gekommen?«

»Ich bin natürlich gefahren, allerdings kaum schneller, als es mit Pferd und Wagen gegangen wäre.«

»Das ist die gefährlichste Fahrweise.«

»Ich hab Kjell getroffen. Er hat mir geholfen.«

»Kjell? Kjell Aronsson? Ist er denn imstande, jemandem zu helfen?«

»Er hat aufgehört zu trinken.«

»Hm. Das hat er mir auch erzählt. Vor ein paar Wochen.«

»Das hast du mir ja gar nicht erzählt.«

Er antwortete nicht.

»Bald erzählen wir einander überhaupt nichts mehr«, sagte sie.

»Du hast gesagt, Kjell hat dir geholfen?«

»Was?«

Er wiederholte seine Frage.

Sie strich sich eine Haarsträhne aus der Stirn. Ihr Kopf war in Licht gehüllt, das nun ins Haus einfiel. Sie trug eine Haube aus Licht. Jetzt wusste er, von wem Andreas die Glückshaube hatte.

»Er hat mich gestützt, als mir schwindlig wurde«, sagte sie. »Und dann hat er mir Wasser besorgt.«

»Was? Bist du sicher, dass es Kjell war?«

Sie lächelte. Das machte ihn furchtbar froh, so, als wäre die ganze verdammte Sonnenhölle mit ihrem breitesten Pfannkuchenlächeln in die Bude getanzt.

»Vielleicht schafft er es ja«, sagte er, »und wird wieder der, der er einmal war.«

»Das glaube ich tatsächlich.«

»Es ist ein Wunder.«

»So scheint er es selber auch zu sehen.«

»Vielleicht ist es ein Zeichen.«

»Ein Zeichen für was?«

»Dass alles gut wird.«

»Seit wann glaubst du denn an so was?«

»Seit Kjell Aronsson aufgehört hat zu saufen.«

»Warum nicht schon eher? Als du selbst aufgehört hast?«

»Ich hatte zu viel zu verlieren.



Download



Haftungsausschluss:
Diese Site speichert keine Dateien auf ihrem Server. Wir indizieren und verlinken nur                                                  Inhalte von anderen Websites zur Verfügung gestellt. Wenden Sie sich an die Inhaltsanbieter, um etwaige urheberrechtlich geschützte Inhalte zu entfernen, und senden Sie uns eine E-Mail. Wir werden die entsprechenden Links oder Inhalte umgehend entfernen.